Wenn es etwas gibt, was im Motorradsport noch bescheidener ist, als im Alltag, dann ist es, wenn die Klamotten nicht passen. Es ist generell sehr ärgerlich, wenn die Hosen zu lang sind und deswegen die gesamte Passform eher schlecht ist. Oder wenn die Ärmel der Jacken lang genug sind, um sie wie eine “Hab’ mich lieb”-Jacke hinter dem Rücken zu verknoten.
Beim Motorradfahren ist das ungleich schlimmer. Während es im Alltag im schlechtesten Fall einfach nur unästhetisch und unbequem ist, so stellen zu große Klamotten ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
Die Risiken
- Protektoren sitzen nicht dort, wo sie sitzen sollen. Sie verrutschen und bei einem etwaigen Sturz kann es passieren, dass die Protektoren die Knochen brechen, die sie eigentlich schützen sollen.
- Gerade Textilkombis fangen an sich aufzublähen und zu flattern. Das führt zu Ablenkungen und erhöhtem Windwiderstand, was wiederum das Unfallrisiko steigert.
- Lederkombis sollten fast schon hauteng sitzen (mit Ausnahme im Schritt, unter den Achseln und am Hintern um die Passform auf dem Motorrad zu garantieren). Sind sie zu groß, werfen sie Falten, die zu Druckstellen führen können. Diese verursachen Schmerzen und lenken ebenfalls ab.
- Zu lange Ärmel ziehen die Handschuhe aus. Das klingt erstmal lustig, aber bei einer Lederkombi werden die Ärmel in die Handschuhe gesteckt. Sind die Ärmel zu lang, schieben sie die Handschuhe von den Händen, wodurch das Gefühl in den Händen sinkt und kuppeln, bremsen oder Gas geben zu einem Glücksspiel werden.
Nun ist es so, dass zumindest im Bereich der Textilbekleidung die verschiedenen Elemente justierbar sind: sei es die Weite von Ärmeln und Hosenbeinen oder das Anliegen des Rückenprotektors über einen Gürtel. Die Position der Protektoren lässt sich zumindest in der Höhe variieren. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Protektoren nicht richtig sitzen. Mit schlecht sitzenden Klamotten möchte ich keinen Unfall haben. Das zusätzliche Verletzungsrisiko ist einfach viel zu groß.
Glücklicherweise gibt es schon seit vielen Jahren zumindest Helme, Nierengurte und Stiefel, die uns kleinen Menschen passen. Die Hersteller haben mittlerweile sogar verstanden, dass die Ausrüstung für Kinder eine bessere Qualität haben muss. Somit findet man zumindest in diesen drei Bereichen für alle kleinen Formate etwas in jeglicher Preisklasse.
Meine erste passende Motorradhose konnte ich mir jedoch erst 2009 kaufen. Bis dahin gab es für mich mit meiner Figur einfach so gar nichts. Auch das Thema Maßanfertigung war eher Mangelware: Es gab zu wenig Hersteller, die das anboten und wenn, dann waren die Preise exorbitant. Zumal ich unbedingt eine Textilhose haben wollte und keine Lederhose.
Ein Trauerspiel
Ich werde nie den Moment vergessen, als ich in einer Filiale von Deutschlands größtem Bekleidungshändler stand und schon völlig verzweifelt war, weil einfach nichts passte. Der – zugegeben – sehr bemühte Verkäufer schleppte Hose um Hose herbei. Jede Einzelne war mir soviel zu lang, dass ich irgendwann den Tränen nahe war. Nachdem auch die diversen Kinderhosen nicht passten (breites Becken lässt grüßen!), kam der Verkäufer mit einer Damenkurzgröße an. Ich sah schon von Weitem, das ich da mehrfach würde reinpassen. Der Verkäufer widersprach und ich hatte keine Energie mehr, um zu verhandeln. Ich verschwand in der Umkleidekabine und schlüpfte in die Hose. Als ich den Vorhang öffnete und auf Zehenspitzen nach draußen trippelte, befand ich mich mit beiden Beinen in einem Hosenbein. Im anderen Bein hätte eine weitere Person von meiner Statur Platz gefunden.
Es dauerte dann noch einige Zeit, bis ich durch Zufall in einer kleinen Motorradboutique an eine Verkäuferin herantrat, die schon beim Eintreten in den Laden mein Problem erkannte. Sie drückte mir drei Hosen in die Arme, sagte schon voraus, welche vermutlich passen würde und keine zehn Minuten später war ich endlich im Besitz meiner ersten Motorradhose aus Cordura.
Die Erste
Sie war super schlicht: Cordurda 500D, zwei Hosentaschen, Gürtel, zwei Knöpfe, Reißverschluss, Verbindungsreißverschluss, Hosenbeinreißverschluss, Protektoren und Thermofutter. Mehr besaß die Hose nicht. Sie war schlicht schwarz und hatte ein paar Reflektorstreifen. Das war’s. Ventilationsreißverschlüsse? Mangelware. Verstärkung an den Hauptsturzstellen? Gab es nicht. Aber sie passte wie aufgemalt. Zum ersten Mal in meinem Leben besaß ich eine Motorradhose, die nicht in der Gegend herumschlackerte und die mich bei einem etwaigen Abstieg schützen würde.
Die erste Jacke war in meinem Fall einer der leichteren Parts. Ich habe einen relativ langen Oberkörper, weswegen mir die normalen Größen im unteren Größenbereich im Regelfall passen. Da kann ich mich wunderbar nach meinem Geldbeutel richten und nicht nach dem, was ich zwingend kaufen muss, weil das Angebot so mickrig ist. So kleidete ich mich Schritt für Schritt in meine Klamotten ein.
Eine Anekdote über Klamotten und ihren Einsatz
Ich glaube, es war August 2019, als der Road Captain und ich eine mittlere Tour planten. Wir wollten auf die Burg Hohenzollern und statteten unterwegs der Nebelhöhle einen Besuch ab. Die Höhle war super kühl. Eine absolute Wohltat nach der Hitze im Sommer. Es war so kühl, dass ich freiwillig wieder meine Jacke anzog.
Nachdem wir die Höhle unsicher gemacht hatten, kehrten wir dort in einem Imbiss zum Mittagessen ein. Danach wurde mir das ganze Ausmaß dessen bewusst, was meine Klamotten mit mir so alles mitmachen. Das Kalkwasser, das in der Höhle von den Tropfsteinen troff und überall den Boden bedeckte, hatte deutliche Spuren hinterlassen. Zwischendurch hatten wir einen ungestümen Welpen getroffen, der meine Stiefel sehr bequem fand und immer wieder an meinen Beinen versuchte hochzuklettern, weil ich ihn nicht exzessiv genug streichelte. So sahen am Schluss dann aber auch meine Klamotten aus.
Die Nebelhöhle ist immer einen Besuch wert. Das Essen war sehr gut und die Tropfsteine einfach umwerfend schön. Wir hatten das große Glück, dass wir mitten in einer der größeren Höhlen einen ganzen Schwarm Fledermäuse begutachten konnten. Es war einfach klasse.
Wendepunkt – kleine Frau ganz groß
Mittlerweile habe ich unzählige E-Mails an die verschiedenen Hersteller geschickt. Ich war bei namhaften Herstellern vor Ort, habe mich vermessen lassen, stand Modell und hatte irgendwann die Hoffnung aufgegeben, dass es für mich »Zwerg« irgendwann passende Kleidung in allen Preisklassen geben würde.
Vor wenigen Jahren wurde mein Flehen erhört. Endlich gibt es Motorradbekleidung in meiner Größe in fast allen Preisklassen, die für mich relevant sind. Ich habe sogar endlich eine passende Lederkombi gefunden, die mir passt wie aufgemalt.
Wenn ich eines gelernt habe, dann dass man nicht aufgeben darf. Irgendwann klappt es dann doch mit der Klamotte und bis dahin helfen Schneidereien, Orthopädieschuhmachermeister und co.
dLzG
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